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Jeune Primeur AG
This-Priis: Der Arbeitgeber-Award: Jeune Primeur AG
This-Priis: Der Arbeitgeber-Award
Der This-Priis ist der Zürcher Arbeitgeber-Award. Er geht an Unternehmen, die sich für die Integration von Menschen mit gesundheitlichem Handicap engagieren.
Jeune Primeur AG (Finalistin 2017)
Frische Ideen im jungen Familienbetrieb
1 Uhr morgens – die Arbeiten bei Jeune Primeur laufen auf Hochtouren. «3 Kilogramm Zwiebeln, 1 Kilogramm Tomaten, 5 Kilogramm Kartoffeln» ruft Reto Müller, Nachtschichtleiter bei Jeune Primeur, seinen zwei Kollegen zu. Schnell stellen sie die Bestellungen zusammen, bereit für den Abtransport in knapp fünf Stunden. Gleichzeitig wird nebenan in der hauseigenen Rüsterei geschnitten, Rösti gehobelt und kundenspezifische Bestellungen zusammengestellt, alles in feinster Handarbeit.
Die Familie Jungen übernahm 2013 den seit 30 Jahren im Gemüse- und Früchtehandel tätigen Betrieb. Neuland für die Inhaber, die vorher noch nie eine Firma geführt haben. Ansporn auch, bestehende Arbeitsstrukturen zu überdenken. Eine ihrer ersten Umstrukturierungsmassnahmen war die Reduktion von einer 6-Tage- auf eine 5-Tagewoche. Was zu Beginn viel Aufwand und Umdenken erforderte, denn die täglichen Lieferungen mussten weiterhin erfolgen, hat sich heute etabliert. Mehr Personal wurde eingestellt und die Tages- und Nachtschichten neu eingeteilt.
Der Familienbetrieb legt grossen Wert darauf, für ihre Mitarbeitenden da zu sein: «Wir sind ein kleiner Familienbetrieb, wir schauen aufeinander. Ich weiss auch, wie es meinen Mitarbeitenden privat geht und unterstütze sie, wenn sie Hilfe brauchen», beschreibt Eveline Jungen ihr Führungsverständnis. Wohl genau auch deshalb hat sie auf den einer Rechnung beigelegten Flyer der IV reagiert: Arbeitsversuche für Menschen mit einem Handicap.
Integration als Ausdruck von Dankbarkeit
Das Angebot der IV überzeugte Eveline Jungen: ein sechsmonatiger Arbeitsversuch, um Einsatzmöglichkeiten der Bewerbenden zu überprüfen – ohne Lohnkosten und ohne Versicherungsrisiko. «Ich bin dankbar, dass ich gesund bin. Mit der Integration können wir Menschen mit einer Beeinträchtigung etwas zurückgeben», hält Eveline Jungen fest. Sie hat bereits mehrere Arbeitsversuche durchgeführt. Auch wenn nicht alle erfolgreich waren, hält sie an der Idee fest und empfiehlt es anderen Unternehmen.
Zwei Mitarbeitende hat Eveline Jungen nach einem Arbeitsversuch eingestellt. «Arbeiten gibt ihm eine Tagesstruktur», sagt Eveline Jungen über einen ihrer Mitarbeitenden, der jeden Morgen die Gemüsekisten aufräumt. Sie musste schauen, welche Arbeit er mit seinen Schmerzen machen konnte. Danach haben sie für ihn eine neue 60-Prozent-Stelle geschaffen. Diese bietet ihm eine sinnvolle Tagesstruktur und ermögliche ihm, wie er selber sagt, einen besseren Umgang mit seinen Schmerzen. Nach dieser erfolgreichen Eingliederung wurde ein weiterer Mitarbeiter infolge eines Arbeitsversuchs festeingestellt. Sein vorheriger Arbeitgeber kündigte ihm aufgrund einer Fussverletzung seine Stelle im Lager. «Wir merkten bei ihm gleich, er war motiviert und gewillt, etwas Neues zu lernen. Nun hat er bei uns eine Anstellung, wo er im Büro arbeiten kann und auch wieder stehen kann bei der Bereitstellung der Ware. Dank dem Bürojob kann er den Fuss immer wieder entlasten», sagt Eveline Jungen.
Die Arbeitsversuche waren nicht immer einfach für Eveline Jungen und die Teams. Neben physischen Beeinträchtigungen kamen auch psychische Probleme hinzu, welche die Zusammenarbeit erschwerten. Eveline Jungen versuchte mit Gesprächen die Widerstände abzubauen, erkannte jedoch, dass ohne die Unterstützung des gesamten Teams Integration nicht gelingen kann: «Bei den nun festangestellten Personen haben alle insistiert, sie zu behalten».
Keiner muss immer 100 Prozent leisten.
Schneiden, waschen, rüsten
Während ungeübte Hände nicht mal wissen, wie sie eine Ananas schneiden sollen, sind die fertigen Ananasstücke bei Jeune Primeur innerhalb von fünf Minuten bereits Bestandteil des Fruchtsalats. Dies muss geübt sein. Damit sich die Mitarbeitenden nicht schneiden oder verletzen, werden regelmässig Weiterbildungen angeboten. In Zusammenarbeit mit der SUVA erarbeitet Jeune Primeur derzeit auch ein Konzept zur Arbeitsplatzsicherheit.
Alle Mitarbeitenden durften zudem ein externes Coaching in Anspruch nehmen, um die eigenen Stärken und Schwächen zu identifizieren. Infolgedessen wurden den Mitarbeitenden nach Fähigkeiten und Interessen spezifische Arbeiten zugeteilt, die im Schichtbetrieb verrichtet werden. «Bei der Einteilung der Schichten haben wir die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden berücksichtigt», erklärt Eveline Jungen die bestehenden Arbeitsstrukturen. Alle Arbeitsversuche werden tagsüber gemacht, weil Nachtschichten für den Widereinstieg ins Erwerbsleben eine grössere Hürde darstellen.
Verbessertes Arbeitsklima
Hinter dem Integrationsengagement steht nicht nur Eveline Jungen, sondern die gesamte Geschäftsführung. Sie hebt hervor, dass die von der Führungsebene getragene Integrationsarbeit auch zur Sensibilisierung in den Teams beigetragen habe. Das Arbeitsklima habe sich verbessert. Die Mitarbeitenden seien sich ihrer eigenen Gesundheit bewusster und zeigten mehr Verständnis für verminderte Arbeitsleistungen bei Arbeitskollegen und -kolleginnen mit physischen und psychischen Beeinträchtigungen. Eveline Jungen möchte mit ihrem Integrationsengagement auch signalisieren, dass von keinem ihrer Angestellten immer 100 Prozent Leistung erwartet wird. Für den kleinen Familienbetrieb ist der Austausch mit ihren Mitarbeitenden essentiell. Tägliche Gespräche sind ebenso Teil der Firmenkultur wie auch die Unterstützung bei finanziellen Problemen und bei der Wohnungssuche.
Es ist kühl am Morgen bei Jeune Primeur. Die blauen Eingangstore stehen noch offen, die Lieferwagen sind unterwegs zu den Restaurants, Kantinen und Hotels, beladen mit verschiedensten Gemüsen und Früchten, die Aufräumarbeiten in Gang. Ruhe ist eingekehrt im Betrieb. Aber nicht lange: am Nachmittag beginnt bereits die erste Schicht. Das Radio in der Rüsterei wird angestellt, Früchte zerteilt und Gemüsebestellungen vorbereitet.
Integration konkret bei der Jeune Primeur AG
Die Jeune Primeur AG beschäftigt 38 Mitarbeitende und führt regelmässig Arbeitsversuche durch.
2 Neueinstellungen | Regelmässige Arbeitsversuche |
2016: Mann, nach Unfall mit starken Knieschmerzen, kaum Deutschkenntnisse. Neue Stelle im Lager geschaffen nach Arbeitsversuch. | Management hat aktiv Arbeitsversuche initiiert und begleitet den Eingliederungsprozess. |
2016: Mann, zuvor tätig im Lager bei einem anderen Arbeitgeber, verlor seine Stelle infolge einer Fussverletzung. Bei Jeune Primeur fand er im Büro und in der Warenbereitstellung eine Anstellung nach einem Arbeitsversuch. | 2016: 3 Arbeitsversuche 2015: 2 Arbeitsversuche |