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Esro AG
This-Priis: Der Arbeitgeber-Award: Esro AG
This-Priis: Der Arbeitgeber-Award
Der This-Priis ist der Zürcher Arbeitgeber-Award. Er geht an Unternehmen, die sich für die Integration von Menschen mit gesundheitlichem Handicap engagieren.
Stärken stärken
Esro AG (Finalistin 2024)
In den Produktionsräumen der Esro AG muss jeder Handgriff sitzen. 20 Anlagen fertigen Handzahnbürsten, Schallzahnbürsten, Brushsticks und Zahnpasta. Computergesteuert und mit viel Robotik. Doch damit hier alles funktioniert wie es soll, gehen Menschen den Maschinen zur Hand. «Trotz ausgeklügelter Technik können die Automaten und Roboter nicht jeden Arbeitsschritt selbst erledigen», erklärt Patrick Sutter, Mitinhaber und Geschäftsführer des Kilchberger Unternehmens, und fügt scherzend an: «Es muss ihnen immer jemand auf die Finger schauen.»
Das Unternehmen beschäftigt aktuell 21 Mitarbeitende. Sechs mit einer gesundheitlichen Einschränkung. Keine Selbstverständlichkeit in diesem hoch technischen Umfeld. Einer von ihnen ist Yassin*. Ein Job Coach der SVA Zürich vermittelte ihn Anfang 2023 an die Esro AG. Ein starkes Rückenleiden zwang den ehemaligen Maler aus dem ersten Arbeitsmarkt. Wie die meisten Menschen mit einer Einschränkung, die bei der Esro AG anfangen, startete auch er in der Konfektion. Hier werden die Mundpflegeprodukte sortiert, in Verkaufsverpackungen gelegt, verschweisst und in Versandkisten gepackt. Dann werden sie in die halbe Welt verschickt.
An die Mitarbeitenden glauben
«Mir ist es wichtig, die Stärken meiner Mitarbeitenden zu erkennen und zu fördern», sagt Patrick Sutter. «Wenn jemand den Sprung von der Konfektion in die Produktion wagen möchte und die Voraussetzungen erfüllt, unterstütze ich das jederzeit.» Bei Yassin habe er schnell gemerkt: «Der kann und will mehr». Yassin sei technisch affin. Zudem sei er sehr hilfsbereit und gebe immer alles, erklärt Sutter weiter. Solche Leute seien rar und für ein KMU wie seines sehr wertvoll.
Dann erlebte Yassin einen Rückfall. Die Bandscheiben verschoben sich erneut. Er konnte nicht mehr arbeiten. Doch Patrick Sutter glaubte weiter an ihn und hielt via SVA Zürich den Kontakt. «Ich glaube nicht, dass es das schon war, habe ich zu ihm gesagt», erzählt Sutter. Und tatsächlich kam Yassin nach einigen Monaten zurück nach Kilchberg. Dort arbeitete er zuerst wieder in der Konfektion. Dann eröffnete Sutter seinem Mitarbeiter eine Idee: Er sehe ihn als Nachfolger von Pedro* in Produktionshalle 2. «Traust du dir das zu?», habe er ihn gefragt.
Yassin war erst skeptisch. Doch Pedro, der in zwei Jahren pensioniert wird, versteht sich prächtig mit Yassin. Und so tasteten sich die zwei, zusammen mit dem Vorarbeiter, gemeinsam an Yassins neue Aufgabe heran. Heute fühlt sich Yassin mit der Anlage sicher und bedient sie jeden Tag für vier Stunden ganz alleine. Und als sie einmal stehen blieb, war er es, der sie wieder zum Laufen brachte. Yassin habe den «magic touch», sagt Patrick Sutter und lacht.
Engagement von tief innen
Wer Patrick Sutter zuhört, spürt: Sein Integrations-Engagement kommt von tief innen. Er hat in seinem engsten Familienkreis erlebt, was es für einen Menschen und sein Umfeld bedeuten kann, wenn er aus seiner vermeintlich sicheren Bahn geworfen wird. «Es kann jeden treffen», sagt er. Dann sei man dankbar, wenn einem jemand die Möglichkeit gibt, wieder dabei zu sein. Diese Möglichkeit wolle er bieten.
«Jedes Unternehmen hat Tätigkeiten, die von Menschen mit einer gesundheitlichen Einschränkung erledigt werden können», glaubt Patrick Sutter. Man müsse nur wollen und ein wenig anders planen. So sieht die Tagesplanung der Esro AG zum Beispiel vor, dass niemand einen ganzen Tag lang dieselbe Tätigkeit ausüben muss. Er ist sich sicher: «Diese Jobrotation tut auch den Gesunden gut.»
Jeder von uns kann schnell aus seiner vermeintlich sicheren Bahn geworfen werden.
Rein wirtschaftlich sei ein Eingliederungsversuch eine Null-Null-Rechnung, sagt Patrick Sutter. «Während der Einarbeitungs- und Probezeit zahlt die SVA Zürich zwar den Lohn», erklärt er. «Der Betrieb leistet aber auch einen Extra-Effort und muss mehr organisieren.» Zehn Personen mit einer gesundheitlichen Einschränkung haben Patrick Sutter und sein Geschäftspartner seit 2017 integriert. Vier davon im vergangenen Jahr. «Aus Überzeugung», betont Patrick Sutter. «Denn was ein Unternehmen gewinnt, wenn es funktioniert, ist unbezahlbar.» Das Arbeitsklima verändere sich stark. Es werde sozialer, lebendiger, ehrlicher. «Dieses Klima entsteht einfach nicht, wenn nur gesunde Menschen zusammenarbeiten», ist Sutter überzeugt.
Als letzte Station zeigt Patrick Sutter den Pausenraum. Hier isst er regelmässig mit der Belegschaft seinen Zmittag. «So weiss ich immer, wie es unseren Mitarbeitenden geht», sagt er. «Wenn zum Beispiel Lena* ihre Witze reisst, geht mir das Herz auf.» Lena ist Autistin und arbeitet seit mehreren Jahren bei der Esro AG. Niemand hätte es für möglich gehalten, dass sie einmal so aus sich herausgeht. Im Pausenraum treffen wir Yassin wieder. Er sagt: «Hier möchte ich pensioniert werden, wie Pedro.» Patrick Sutter sagt: «Dafür will ich alles tun.»
*Namen von der Redaktion geändert
Integration konkret bei der Esro AG
Die Esro AG in Kilchberg ist auf die Herstellung von Mundhygiene-Produkten spezialisiert. Das Unternehmen startete sein Integrationsengagement im Jahr 2017. Und das mit grossem Erfolg: Ein Viertel der 21 Mitarbeitenden sind Personen mit einer gesundheitlichen Einschränkung.
Neueinstellungen | Arbeitsplatzerhalt | Arbeitsversuche |
Zwischen 2020 und 2023 hat das Unternehmen vier Personen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen eine Festanstellung ermöglicht. Die Arbeitspensen variieren zwischen 50 und 100 Prozent. Die Personen arbeiten in den Bereichen Spedition, Konfektion und Produktion. |
Eine Person, die einen Herzinfarkt erlitten hatte, konnte ihre frühere Tätigkeit in der Teamleitung mit einem Beschäftigungsgrad von 70 Prozent wieder aufnehmen. |
Die Esro AG führt regelmässig Arbeitsversuche durch. Immer mit dem Ziel, die Person fest einzustellen. Arbeitsversuche werden nur für Stellen durchgeführt, für die auch tatsächlich ein Arbeitsplatz zur Verfügung steht. |