Der A-Team-Spirit

Aeberli Treuhand AG (Finalistin 2023)

Wer bei der Aeberli Treuhand AG eintritt, fühlt sich sofort wohl. Für den warmen Empfang sind die drei Partner der Firma verantwortlich. Christian Nuss­baumer, Benjamin Block und Feri Cilurzo haben die 75-jährige Firma vor gut drei Jahren über­nommen. Sie haben sich zum Ziel gemacht, dem Klischee der spröden Treuhänder etwas entgegen­zusetzen. In einem kleinen Booklet ist die Aeberli-DNA festgehalten: «Wir machen». Dort ist unter Werte auch «Spass bei der Arbeit» aufgeführt. Ganz bewusst haben die neuen Eigen­tümer einen Fokus-Wechsel vorgenommen. «Bei uns sind die Mit­arbeitenden das Wichtigste, nicht die Kunden», erklärt Christian Nussbaumer. «Wenn unsere Mit­arbeitenden happy sind, tragen sie das auch nach draussen.» Zufriedene Mit­arbeitende, zufriedene Kunden – die Rechnung geht auf für Aeberli. 

Ihr Ruf als attraktive Arbeit­geberin ist der Firma voraus­geeilt. Durch persönliche Kontakte und Anfragen einer Institution für Arbeits­integration ist die erste Ein­gliederung zustande gekommen. Bei Aeberli können Personen mit einer gesund­heitlichen Einschränkung wieder erste Schritte im Arbeits­leben machen. Gemeinsam wird geschaut, wie das ideale Arbeits-Setup aussieht. Inzwischen konnte Aeberli auf diesem Weg bereits zwei Personen eine Fest­anstellung geben. «Unser Ziel ist, dass sich die Person hier so wohl fühlt, dass sie ihr Potenzial voll ausschöpfen kann», sagt Feri Cilurzo.

Kultur der Toleranz

Feri Cilurzo ist der Haupt­antriebs­motor des Integrations-Engagements der Firma und «ein klassischer ADHS-ler im Quadrat», wie er sich selbst beschreibt. In der Schweiz, wo der diplomierte Treuhand­experte geboren und auf­gewachsen ist, stiess er als Kind mit seiner Hyper­aktivität auf Gegen­wind. Als die Eltern mit ihm für einige Jahre in ihre Heimat Italien aus­wandern, erlebt er eine Offen­barung: «In Italien ist die Sicht auf Kinder und der Umgang mit ihnen total anders. Niemand erwartet dort, dass ein Kind fünf Stunden still sitzt.» Die Zeit in Italien hat Feri Cilurzo das Selbst­vertrauen gegeben, mit dem er heute über seine speziellen Fähig­keiten spricht. Von einem gesund­heitlichen Handicap oder gar einer Krankheit redet bei Aeberli nämlich niemand. Es seien einfach andere Fähig­keiten, die jemand habe, sagt Feri Cilurzo. «Wir leben ein A-Team-Konzept. Jeder hat seine Spezialität, die wir als Stärke einsetzen.»

Bei Aeberli sollen sich die Mitarbeitenden wohl­fühlen und offen über ihre Schwächen sprechen können. «All unsere Mit­arbeitenden sollen sich so geben können, wie sie sind. Wir leben eine Kultur der Toleranz», sagt Feri Cilurzo. Jedem neuen Mit­arbeitenden ist selbst überlassen, ob sie oder er dem Team das gesund­heitliche Handicap kommuniziert. Inzwischen zählt die Aeberli Treuhand AG rund 45 Mit­arbeitende. Damit ist die Firma mehr als doppelt so gross wie 2019, als die neuen Eigen­tümer über­nommen haben. In zwei gegenüber­liegenden Gebäuden im Zürcher Seefeld-Quartier besetzt sie mehrere Stock­werke. Das Herz­stück ist der Aufenthalts­raum. Wobei dieses Wort dem nicht gerecht wird, was die Mit­arbeitenden dort erwartet: Café-Bar mit kosten­losem Kaffee und Snacks, Zigarren-Lounge, Töggeli-Raum, Fernseh­zimmer – die Auswahl an Orten zum Entspannen und Zusammen­sein ist gross. Hier hat man schon unvergessliche Abende verbracht, etwa beim gemeinsamen Fussball-WM-Schauen.

Neben der Schablone 

Letzten Sommer bezog auch ein bekanntes Gesicht ein Büro bei Aeberli: Die Juristin und National­rätin Petra Gössi unterstützt die Firma als Konsulentin. Sie ist überzeugt, dass ein Eingliederungs-Engagement für ein Unternehmen nur Vorteile hat. «Erstens kommt ein Unternehmen damit seiner sozialen Verant­wortung nach. Zweitens stärkt es das eigene Team. Man lernt mit Anders­artigkeit umzu­gehen. Und drittens», sagt sie, «stärkt es den Arbeitsmarkt Schweiz.» Auch in der Treuhandbranche grassiert der Fachkräfte­mangel. Bei Rekrutierung geht die Firma deshalb ungewöhnlich vor. Zuerst wird geschaut, was eine Kandidatin, ein Kandidat für Fähigkeiten mitbringt. Dann wird das passende Job­profil kreiert. «Wer Mitarbeitende stur nach Job­beschreibung einsetzt, hat verloren», ist Benjamin Block überzeugt. «Als Arbeit­geber muss man flexibel sein und seine Leute auch ausserhalb der Schablone suchen.» Gerade der jüngeren Generation ist das Klima am Arbeits­platz enorm wichtig. «Wenn jemand seinem Kollegen bei einem Bier erzählt, was für ein toller Spirit bei uns herrscht, ist das die beste Werbung», sagt Christian Nussbaumer. Wenig Fluktuation, hohe Mitarbeiter­zufriedenheit: Für Aeberli zahlt sich das Engagement für die Mitarbeitenden aus.

Anderen Arbeit­gebern raten die drei, mutig zu sein und Integrationen auszu­probieren. Spezielle Prozesse brauche es dafür nicht, sind sie über­zeugt. Jede und jeder neue Mit­arbeitende brauche mehr Zeit. «Eine Person mit einer Ein­schränkung braucht einfach gezielter mehr Zeit», sagt Christian Nussbaumer. «Wenn man loyale, treue Mit­arbeitende haben will, muss man Ein­gliederungen machen.» Die Inhaber haben die Vision, aus Aeberli eine starke Marke für Mit­arbeitende zu kreieren. Und damit die Branche, die oft noch sehr hierarchisch funktioniert, zu revolutionieren. Dabei wollen sie weiterhin ganz nach ihrem Credo handeln: Einfach machen.