Ein Mann mit einem Hüftleiden, den die SVA Zürich dem Etzelgut vermittelt hat, war anfangs skeptisch, ob er länger als drei, vier Stunden würde arbeiten können. «Nach drei Wochen», erzählt Selm, «hat er den Laden alleine geschmissen. Er hat dadurch die Bestätigung erhalten, dass es geht.» Mit diesem Selbstvertrauen ging der Mann zurück in den Arbeitsmarkt. Längst nicht alle, die im Etzelgut einen Arbeitsversuch machen, können dort auch bleiben. Meist fehlt es an offenen Stellen. Durch ihr breites Netzwerk findet Brigitte Selm jedoch für fast alle einen Platz in anderen Häusern. Es gibt allerdings auch jene Fälle, die nicht in einer erfolgreichen Eingliederung enden. Da ist zum Beispiel ein junger Mann, ein Autist, der ein halbes Jahr lang am Empfang des Etzelguts gearbeitet hat. Er hat sich entschieden, wieder in eine geschützte Werkstätte zu gehen. «Es war ihm zu viel», erklärt Brigitte Selm. «Mit dem Druck können nicht alle umgehen», fügt sie hinzu. Solche Rückschläge müsse man einfach abhaken, und weitermachen.
Offene Fehlerkultur und Diversität
Seit zehn Jahren ist Brigitte Selm bei der Tertianum-Gruppe tätig. Das Haus Etzelgut eröffnete 2017. Der Neubau wirkt einladend. Auf jeder Etage schwingt sich ein breiter Balkon rund ums Gebäude. Dort spazieren die Bewohner ihre Runden und geniessen dabei den Ausblick auf den Zürichsee. So aufgeschlossen sich die Architektur von aussen präsentiert, ist auch der Geist im Haus. Brigitte Selm pflegt eine offene Fehlerkultur. «Gefährlich sind jene Fehler, die man vertuscht, gerade in der Pflege», sagt sie. Offenheit ist der Geschäftsführerin auch in Bezug auf die Diversität im Unternehmen wichtig. Sie definiert sich und das Haus stark als wertfrei und betont: «Menschen jeglichen Alters, jeglicher Hautfarbe, jeglicher Religion und jeglicher Sexualität sollen bei uns arbeiten. Stigmafrei.»