Supported Employment für Jugend­liche während Klinik­aufenthalt

«Es gibt ein Problem im Bereich der Jugend­psychiatrie.» Mit dieser Beobachtung wandte sich die IV-Integrations­partnerin Berufs­bildneria an unsere IV-Stelle. Das war der Ausgangs­punkt eines spannenden und erfolg­reichen Pilot­projekts.

Geschützter Arbeits­platz nicht immer die beste Lösung

Alles begann im Herbst 2022. «Wir trafen uns mit der Geschäfts­führerin des Coaching-Unternehmens Berufs­bildneria und mit Fach­leuten der Kinder- und Jugend­psychiatrie und Psycho­therapie (KJPP) an der Neumünster­allee in Zürich zum ersten Austausch», berichtet Matthias Wepfer, Prozess­leiter bei der IV-Stelle. Ihre überein­stimmende Einschätzung war, dass in der Jugend­psychiatrie die Weichen für die berufliche Integration meist in Richtung geschützter Arbeits­markt gestellt werden. Im Austausch zeigten sich drei Haupt­gründe.

Erstens: Die oft schwer­wiegende gesundheitliche Krise, die zu einem Klinik­aufenthalt führt, verleitet dazu, an den zweiten Arbeits­markt zu denken. Dies, weil man vor allem die Einschränkungen und nicht die Potenziale im Blick hat. Zweitens: Eine Anschluss­lösung im ersten Arbeits­markt suchen kostet viel mehr Zeit und braucht spezifisches Fachwissen. Dies gehört grund­sätzlich nicht zum Leistungs­auftrag der Klinik. Drittens: Selbst wenn der Sozial­dienst der Klinik die IV-Anmeldung initiiert, ist der stationäre Aufenthalt meist schon zu Ende, bevor es zum Erst­kontakt mit der IV-Berufs­beratung kommt.

Blockiert

Die Jugendlichen halten sich im Durch­schnitt drei bis vier Monate in der Klinik auf. Darum erhalten sie dort auch Schul­unterricht, unter anderem zum Thema «Berufs­wahl». Gerade dann, wenn der oder die Jugendliche Potenzial für eine Lehre im ersten Arbeits­markt zeigt, empfiehlt sich eine rasche IV-Anmeldung. Der Knack­punkt: Bis der oder die Jugendliche und die Eltern bereit sind, eine IV-Anmeldung einzureichen, und die erste Kontakt­aufnahme durch die IV-Berufs­beratung erfolgt, vergehen oft mehrere Monate. Das bremst die Jugendlichen, die Sozial­arbeiterin und die Berufswahl­lehrerin der Klinik aus. Die Perspektive für den beruflichen Weg fehlt. Und wer keine Perspektive hat, respektive diese nicht kennt, ist blockiert. Hier setzt das neue Vorgehen an.

Bild von Matthias Wepfer
Bild von Simone Sihin

«Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit – das bewirkt viel.»

Matthias Wepfer Prozessleiter, IV-Stelle, Eingliederung und Rente

«Jugend­liche brauchen Pers­pektive. Vom frühen Erst­kontakt profitieren alle Beteiligten.»

Simone Schihin Berufsberaterin, IV-Stelle, Eingliederung und Rente

Ein vielversprechender neuer Ansatz

Zwei erfahrene Fach­personen der IV-Berufs­beratung sind seit Januar 2023 regel­mässig in der Klinik. Sie besprechen mit der Sozial­arbeiterin und der Berufswahl­lehrerin die Möglich­keiten und das Vorgehen in Einzel­fällen. Die Mitarbeitenden der Klinik haben so die Gewiss­heit, dass die IV-Stelle hinter dem geplanten Vorgehen steht. Priorisiert wird die direkte Eingliederungs­planung in den ersten Arbeits­markt. Bei einer positiven Einschätzung wird die Berufsbildneria als Integrations­partnerin für Supported Education umgehend einbezogen. 

Ermutigende Ergebnisse

2023 haben wir die Begleitung von insgesamt 19 Jugendlichen in der KJPP an der Neumünster­allee in Zürich auf diese Weise gestartet. Ein Drittel der Jugendlichen kann und konnte die Ausbildung oder die Vorbereitung dafür direkt im ersten Arbeits­markt beginnen. Bei den anderen Jugendlichen war es noch zu früh, um die Integration in den ersten Arbeits­markt ins Auge zu fassen. Aber auch mit ihnen konnten wir die Perspektiven klären, das tut den jungen Menschen gut. Das Ergebnis des Pilot­projekts ist vielversprechend. Aufgrund der positiven Erfahrungen geht die SVA Zürich 2024 auf weitere kinder- und jugend­psychiatrische Kliniken zu.