Die IV-Stelle Zürich konnte ihre Produktivität und den Eingliederungserfolg im Jahr 2023 nochmals verbessern. Der Stellenausbau ist eine Erklärung dafür, aber nicht der entscheidende Hebel.
Die IV-Stelle Zürich hatte in den letzten Jahren nichts unversucht gelassen, um administrative Tätigkeiten, die keinen Nutzen für unsere Kundinnen und Kunden darstellen, zu vereinfachen oder ganz darauf zu verzichten. Aber die Schere zwischen dem seit zehn Jahren bei den Personalressourcen unberücksichtigten Mengenwachstum und den stetig steigenden Fallzahlen klaffte trotzdem immer weiter auseinander. Die Erleichterung war deshalb gross, als im März 2023 der Bescheid für die zusätzlichen Mittel aus Bern eintraf. Der Personalausbau findet vornehmlich in der Kundenberatung statt. Der Rekrutierungsprozess war Ende 2023 noch nicht abgeschlossen.
IV-Stellenleitung und Kader haben sich Anfang 2023 intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, wie die zusätzlichen Stellen eingesetzt werden sollen, um die grösstmögliche Wirkung zu erzielen. Als Ziel wurde formuliert: «Pendenzenstand halten». In den Jahren zuvor wurde diese Belastung zahlenmässig immer grösser. Die IV-Stellenleitung entschied deshalb, die Aufmerksamkeit ein Jahr lang auf den Umgang mit Pendenzen zu lenken. Kader und Mitarbeitende haben miteinander diskutiert und sich vor allem engagiert. Der Pendenzenstand konnte nicht nur gehalten, sondern sogar gesenkt werden. Die Jahresleistung der IV-Stelle verdient Anerkennung, weil die Produktivität pro Vollzeitstelle deutlich höher war als im Vorjahr. «Dieser Erfolg war nur dank des grossen Engagements aller unserer Mitarbeitenden möglich», würdigt Martin Schilt, Leiter der IV-Stelle, die Gesamtleistung.
Mit einem Plus von 1,6 Prozent sind die IV-Gesuche im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr zwar nicht stark angestiegen, aber bei fast der Hälfte der 33'900 Gesuche handelte es sich um IV-Anmeldungen für Eingliederungs- und Rentenleistungen. Diese Fälle sind häufig beratungsintensiv und haben eine lange Laufzeit. Die Zunahme der Anmeldungen in diesem Bereich betrug 4 Prozent. Sie dauern in der Regel zwischen zwei und fünf Jahren. Die rund 7700 IV-Gesuche für Hilfsmittel machen mengenmässig 22 Prozent aus. Da der Prozess vom Eingang der Anmeldung bis zum Entscheid aber kurz ist, wird für die Bearbeitung wenig Zeit benötigt.
Not macht bekanntlich erfinderisch, und hat man sich diese Tugend erst mal angeeignet, muss sie unbedingt gepflegt werden. Das machen wir bei der IV-Stelle aus Überzeugung. Kader und Mitarbeitende steuern im Alltag ihre Erfahrungen und Ideen bei, damit wir im Interesse unserer Kundinnen und Kunden noch mehr Wirkung erzeugen können mit unserer Arbeit. Unsere Strategie: beobachten, hinhören, Bedürfnisse aufnehmen, im Dialog Lösungen entwickeln und mutig Neues ausprobieren. Wir nutzen die Möglichkeit von Pilotprojekten, um herauszufinden, wie wir noch besser werden können. Das machen wir mit allen an der Eingliederung beteiligten Stakeholdern. Werden Ideen für Pilotprojekte an uns herangetragen, hören wir offen zu. Und wenn uns eine Idee überzeugt, geht es gleich an die Umsetzungsplanung. So geschehen im Frühling 2023, als sich die Berufsbildneria, eine IV-Integrationspartnerin, an unsere IV-Stelle wandte mit einem Vorschlag für den Jugendbereich. Was 2023 im Rahmen eines Pilotprojekts ausprobiert wurde, macht Schule: das Job Coaching für Jugendliche und junge Erwachsene während eines stationären Klinikaufenthalts (siehe Bericht dazu).
Psychische Probleme machen nicht nur Erwachsenen zu schaffen. Sie sind der Hauptgrund für eine IV-Neurente bei den 18- bis 24-Jährigen. Mit der jüngsten IV-Revision hat die Politik die IV-Unterstützungsmöglichkeiten im Bereich der beruflichen Erstausbildung erweitert. Die IV – heute die grösste Präventions- und Eingliederungsversicherung – hat viele Möglichkeiten zu unterstützen. «IV» stellt aber nach wie vor eine schier unüberwindbare Hürde dar, gerade im Jugendbereich. Man möchte nicht «invalid» sein. Deshalb hat sich die IV-Stelle entschieden, in der Kommunikation einen neuen Weg einzuschlagen. Aus «IV» wurde «riva». Mit dem visuellen Auftritt möchte die SVA Zürich die Jugendlichen erreichen, der Inhalt der riva-Plattform richtet sich an besorgte Eltern, Lehrpersonen und Lehrbetriebe. Das Ziel von riva ist es, Hürden abzubauen und die SVA Zürich als Partnerin für Prävention und Integration im Bereich der beruflichen Erstausbildung bekannter zu machen (siehe Bericht dazu).
Bei Ärztinnen und Ärzten geht es der IV-Stelle nicht darum, bekannter zu werden, sondern darum, miteinander ins Gespräch zu kommen. Hüben und drüben gibt es leider Vorbehalte. Wenn behandelnde Ärztinnen und Ärzte an die IV denken, verbinden sie damit auch heute noch zu oft die IV-Rente. Vielen ist nicht bewusst, was das Leistungsspektrum der IV abdecken kann. Die Mitglieder der Zürcher Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (ZGPP) und die SVA Zürich haben die Grundlagen der Zusammenarbeit vor Jahren miteinander erarbeitet. 2023 – zehn Jahre später – konnten der Vorstand der ZGPP und die Verantwortlichen der IV-Stelle den Mitgliedern der ZGPP die überarbeitete Neuauflage vorstellen (siehe Beitrag Forum IV). Es ist das Commitment für einen konstruktiv-kritischen Dialog, die Bereitschaft zum Perspektivenwechsel, um Menschen mit einer psychischen Erkrankung bestmöglich zu unterstützen. Das machen wir mit Eingliederungsmassnahmen aber natürlich auch mit Rentenleistungen.
Die deutlich höhere Produktivität der IV-Stelle im Jahr 2023 zeigt sich auch bei der Rentenzusprache. Die IV-Stelle musste im Jahr 2022 Rentenentscheide zurückstellen. Wegen der Personalsituation musste eine Fall-Triage zugunsten der Eingliederungsfälle gemacht werden. Wenn die Produktivität steigt, kommt fast unweigerlich die Frage nach der Qualität. Es ist die Sorge, dass wenn schneller entschieden wird, dies zu Ungunsten der Kundinnen und Kunden sein könnte. Dass dem nicht so ist, zeigen die Zahlen. Im Jahr 2023 hat die IV-Stelle 3925 IV-Neurenten verfügt. Das sind 25 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Anstieg bei den IV-Renten muss deshalb unbedingt im Verhältnis zur gesamten Zahl der abgeschlossenen Rentengesuche betrachtet werden. Die Rentenzusprachequote ist über die Jahre stabil. Sie liegt bei 27 Prozent. Das heisst, dass bei jeder vierten IV-Anmeldung eine IV-Rente zugesprochen wird.