Prämienverbilligung

Mit der neuen bedarfs­gerechten Prämien­verbilligung, die seit 2021 gilt, ist die Durch­führung deutlich aufwendiger geworden. Auch im zweiten Jahr gab es grossen Erklärungs­bedarf zu den gesetzlichen Neuerungen. Im September 2022 startete die Produktion der ersten definitiven Verfügungen. Es gab nicht nur Differenz­zahlungen, sondern auch viele Rück­forderungen.

Entwicklung allgemein 

Neues System verlangt mehr Engagement 

25 Jahre lang kam die Prämien­verbillig­ung praktisch auto­matisch. Die Zürcher Ge­meinden ermittelten basierend auf den Steuer­daten die Anspruchs­berechtigten und meldeten die Personen der SVA Zürich. Wer einen Antrag erhielt, hatte An­spruch. Unter dem Jahr haben die Gemeinden bei der SVA Zürich Nach­meldungen eingereicht, vorher haben sie die Anspruchs­prüfung vor­genommen. Auch haben sie der SVA Zürich Er­eignisse ge­meldet, die für die Prämien­verbilligung relevant waren, wie die Geburt eines Kindes, Neu­zuzügerinnen und –zuzüger, Zivil­stands­änderungen oder Todes­fälle.

Zukünftige Steuerfaktoren sind massgebend

Mit dem neuen System gibt es zwar weiter­hin einen initialen Gross­versand. Aber es genügt nun nicht mehr, nur den An­trag zu unter­schreiben und zurück­zuschicken. Wer Prämien­verbilligung er­halten will, muss ein längeres Formular aus­füllen. Zusätzliche Fragen gibt es für junge Er­wachsene in Aus- und Weiter­bildung. Sie müssen auch das Ein­kommen und Ver­mögen der Eltern beziffern. Und die wichtigste Änderung: Mass­gebend für den An­spruch auf Prämien­verbilligung sind die finanz­iellen Verhält­nisse im Antrags­jahr. Und wenn sich heraus­stellt, dass sich die Steuer­faktoren im Antrags­jahr verbessert haben, kann es zu Rück­forderungen kommen.

Kulturwandel braucht Zeit 

Eine System­umstellung dieser Trag­weite mit ein­schneidenden Aus­wirkungen für Kund­innen und Kunden stellt hohe An­forderungen an die Durch­führung. Mit IT- und Prozess­anpassungen ist die Ein­führung der Reform nicht ab­geschlossen. Bis die Bevöl­kerung des Kantons Zürich mit dem neuen System vertraut ist, braucht es Zeit. Die Ein­führung und Etablierung der neuen gesetz­lichen Vor­gaben ist als kom­munikativer und kultu­reller Prozess zu verstehen.

Das Anliegen der SVA Zürich ist es, möglichst die richtigen Personen zu erreichen. Es braucht einen Kultur­wandel in der Bevöl­kerung sowie den Gemeinden, Beratungs­stellen und Medien. Es gilt zu ver­ankern: Auch wer keinen Antrag von der SVA Zürich be­kommt, kann Anspruch auf Prämien­verbilligung haben. Mit dem Online-Rechner auf der Web­seite der SVA Zürich kann der Anspruch geprüft und das Online-Formular ausgefüllt werden. Eine Nach­meldung ist auch rück­wirkend möglich, bis zum 31. März des Folge­jahres.  

«Bis sich das neue Prämien­verbilligungs­system etab­liert hat, braucht es Zeit.»

SVA Zürich

Neue Berichterstattung 

Zahlen bleiben mehrere Jahre provisorisch  

Mit der EG KVG-Reform wurde das Prämien­verbilligungs­geschäft komplexer – auch für die Bericht­erstattung. Bisher ent­sprach das Antrags­jahr auch dem Berichts­jahr. Neu ist das Antrags­jahr nicht im gleichen Jahr ab­geschlossen. Die Zahlen können sich noch bis drei Jahre nach dem Antrags­jahr verändern. Einer­seits können bis zum 31. März des Folge­jahres rück­wirkend Anträge ein­gereicht werden. Anderer­seits erfolgt die Aus­zahlung der Prämien­verbilligung zwei­stufig. In einem ersten Schritt werden 80 Prozent des Betrags an die Kranken­kassen über­wiesen. Erst wenn die definitiven Steuer­faktoren des Antrags­jahres vor­liegen, kann der effektive An­spruch berechnet werden. Es erfolgt die Rest­zahlung, oder eine Rück­forderung.

Diese Neu­erung wider­spiegelt sich in den Zahlen zu den aus­bezahlten Leistungen und in der Anzahl anspruchs­berechtigter Personen. Ver­gleiche mit dem Vor­jahr sind nicht aussage­kräftig. Die Werte variieren im Jahr und sind als Orientierungs­grösse zu sehen, bis der definitive An­spruch ermittelt werden kann. Wir gehen im Geschäfts­bericht der SVA Zürich deshalb auf alle aktiven Antrags­jahre ein. Wir berichten und zeigen mit Grafiken, wie sich die noch provi­sorischen Zahlen von Jahr zu Jahr ent­wickeln, bis schliesslich der definitive Ab­schluss vorliegt. Die neuen Grafiken zeigen die per 31. Dezember ermittelten Werte.

Budget und Betriebsrechnung  

Budget für das Antragsjahr 2022 

Das Gesamt­budget für die Prämien­verbilligung 2022 hat sich gegen­über dem Vorjahr kaum erhöht (+0,3 Prozent). Insgesamt stehen im Kanton Zürich für die Prämien­verbilligung für das Antrags­jahr 2022 996 Millionen Franken zur Ver­fügung. 

Kreisdiagramm: Antragsjahr 2022 Prämienverbilligung: Ausbezahlte Leistungen in Millionen Franken. Prämienverbilligung zu Ergänzungsleistungen und Sozialhilfe: 343,5 Millionen Franken. Individuelle Prämienverbilligung: 246,1 Millionen Franken. Verlustscheine: 45,9 Millionen Franken.

Bis 31. Dezember 2022 hat die SVA Zürich rund CHF 636 Mio. Leistungen für die Prämienverbilligung 2022 ausbezahlt.

Betriebsrechnung 2022

Bis zum 31. Dezember 2022 leistete die SVA Zürich für das Antrags­jahr 2022 Zahl­ungen in der Höhe von 246,1 Millionen Franken für Personen mit individ­ueller Prämien­verbilligung und 343,5 Millionen Franken für Personen mit EL-Anspruch oder Sozial­hilfe. Die Kranken­versicherer hatten zudem im Jahr 2022 Verlust­scheine für nicht bezahlte KVG-Prämien und -Leist­ungen in der Höhe von 45,9 Millionen Franken geltend gemacht. Die Betriebs­rechnung für das Geschäfts­jahr 2022 schliesst mit 606 Millionen Franken ab. Ein­geschlossen sind Rück­forderungen und Über­weisungen für das Antrags­jahr 2021 und frühere Jahre.

Antragsjahr 2021

Nachzahlungen und Rückforderungen 

2022 war das erste Jahr, in dem für ein Antrags­jahr definitive Entscheide verfügt werden konnten. Bei 36'370 Personen musste die SVA Zürich Leist­ungen in Höhe von 30,1 Millionen Franken zurück­fordern. 56'599 Personen er­hielten eine Nach­zahlung im Gesamt­betrag von 24,4 Millionen Franken. Von den Per­sonen, die eine Rück­forderung er­hielten, hat die SVA Zürich 328 Einsprachen erhalten sowie 281 Erlass­gesuche. 

Infolge weiterer an­spruchs­berechtigter Per­sonen sowie Nach­zahlungen und Rück­forder­ungen ver­änderte sich der aus­bezahlte Betrag für das Antrags­jahr 2021. Per 31. Dezember 2022 wurden insge­samt 340 Millionen Franken aus­gegeben (Ver­änderung um 2,8 Pro­zent).  

Antragsjahr 2022

Tiefere Rücklaufquote überrascht nicht

Im Früh­jahr werden die möglichen Anspruchs­berechtigten für das Folge­jahr ermit­telt. Dies geschieht anhand der aktuell­sten Steuer­faktoren. Diese liegen oft­mals zwei, manch­mal sogar vier Jahre zurück. Die so be­stimmt­en Pers­onen erhalten auto­matisch einen Antrag der SVA Zürich. Für das Antrags­jahr 2022 wurden 233'447 Anträge ver­schickt. Rund 72 Prozent der An­träge wurden re­tour­niert. Dies ent­spricht einem leichten Rück­gang gegen­über den Vor­jahren. Bis zum System­wechsel 2021 kamen jeweils über 80 Prozent der An­träge zurück. Auch für das Jahr 2021 war der Rück­lauf mit 79 Prozent hoch. Dass ein grosser An­teil der auto­matisch ver­schickten An­träge im Jahr der System­umstellung retour­niert wurde, ist nicht ver­wunder­lich. Wer bis anhin einen An­trag er­hielt, hatte auto­matisch An­spruch auf Prämien­ver­billigung. Es ist an­zunehm­en, dass viele aus Ge­wohn­heit den zu­gestellt­en An­trag einfach geprüft, ergänzt und ein­gereicht hatten. Deshalb er­staunt es nicht, dass mit der System­umstellung der Rück­lauf der An­träge ab­genommen hat, im Bewusst­sein, dass es zu Rück­forderung­en kommen kann. Wer nach der Kontrolle der vor­ausgefüllten An­gaben ge­merkt hat, dass die auf­geführten Zahlen nicht mehr aktuell sind, hat deshalb ver­mutlich bewusst auf das Retour­nieren ver­zichtet. Im ersten Quartal 2023 findet für das Antrags­jahr 2022 noch ein Nachversand an 94'625 Personen statt. Grund­lage für die Ermittlung sind die aktuellsten Steuer­zahlen. 

Balkendiagramm: Versand Prämienverbilligungs-Anträge. Im Jahr 2022 waren es 233447, 8,6% mehr als im Vorjahr. Im Jahr 2021 waren es 214874. Im Jahr 2020 waren es 248053. Im Jahr 2019 waren es 203648.

* Stand per 31. Dezember 2022

Balkendiagramm: Rücklauf Prämienverbilligungs-Anträge. Im Jahr 2022 waren es 168553, -0,9% weniger als im Vorjahr. Im Jahr 2021 waren es 170083. Im Jahr 2020 waren es 204456. Im Jahr 2019 waren es 164966.

* Stand per 31. Dezember 2022

Je tiefer der Eigenanteilssatz desto höher die Prämienverbilligung

Bereits wie für das Jahr 2021 konnte auch für 2022 der Eigen­anteils­satz rück­wirkend ge­senkt werden. Der Eigen­anteil ist ein gewisser Prozen­tsatz des mass­gebenden Ein­kommens, den die Ver­sicherten selbst für ihre Kranken­kassen­prämie auf­wenden müssen. Für Ver­heiratete und ein­getragene Partne­rinnen und Partner sank der Eigen­anteils­satz von 14,1 auf 9,4 Prozent. Für Einzel­personen und Allein­erziehende von 11,3 auf 7,5 Prozent. Sinkt der Eigen­anteils­satz, bedeutet das, dass die Kundin­nen und Kunden mit einer höheren Prämien­verbilligung ent­lastet werden können und weitere Personen An­spruch auf Prämien­verbilligung haben. Der neue Prozent­satz wird bei der definitiven Be­rechnung des Anspruchs berück­sichtigt.

Bei einer um­fassenden System­änderung wie der EG KVG-Reform sind Justier­ungen aufgrund neu gewonnener Erfahrungs­werte nicht un­üblich. Die SVA Zürich hat deshalb die Pers­onen ermittelt, die mit dem tieferen Eigen­anteilssatz voraus­sichtlich An­spruch hätten, aber im Früh­jahr 2021 keinen Antrag er­hielten. Diese Personen erhalten rück­wirkend einen Antrag für die Prämien­verbilligung 2022.

Beratungsgespräche

Nach dem Einführungs­jahr der EG KVG-Reform 2021 gingen im Berichts­jahr 2022 die Kunden­anfragen wieder leicht zurück. Die Kunden­berater­innen und –berater der SVA Zürich beant­worteten ins­gesamt 142'556 Anfragen. Auch wenn die Anfragen leicht rück­läufig sind, bewegen sie sich weiter­hin auf hohem Niveau. Die EG KVG-Reform ver­unsichert noch viele Kund­innen und Kunden. Sie verstehen den Prozess nicht und haben Angst vor Rück­forder­ungen. Diese Sorge äussern sie in den Beratungs­gesprächen. Die Komplexität des neuen Gesetzes erfordert längere Beratungs­gespräche. Während vor der Reform ein durch­schnittliches Kunden­gespräch rund 4-5 Minuten dauerte, braucht der Kunden­dienst aktuell rund 8 Minuten. Noch länger dauerte ein Ge­spräch, nachdem die definitiven Ver­fügungen verschickt wurden. Erst­mals können die Kund­innen und Kunden Ein­sprache gegen den Ent­scheid der SVA Zürich er­heben. Bei Rück­forder­ungen haben sie zudem die Möglich­keit, ein Erlass­gesuch ein­zureichen. Um Fragen zu diesen Themen zu klären, brauchten die Kunden­beraterinnen und –berater im Durch­schnitt rund 15-30 Minuten.

 

Balkendiagramm: Kundenanfragen zu Prämienverbilligung. Im Jahr 2022 waren es 142556, 33,7% weniger als im Vorjahr. Im Jahr 2021 waren es 214975. Im Jahr 2020 waren es 113236. Im Jahr 2019 waren es 86019.

Ausblick

Bis sich das neue Prämien­verbilligungs­system in der Zürcher Bevölk­erung etab­liert hat, braucht es Zeit. Auch die SVA Zürich lernt weiter dazu und justiert ihre Prozesse laufend. Zentral dabei ist die Kunden­kommuni­kation. Es geht darum, dass Zürcher Einwohne­rinnen und Einwohner wissen, welche Faktoren mass­gebend sind für den An­spruch auf Prämien­verbilligung. Sie müssen darauf sensibil­isiert werden, dass Rück­forderungen möglich sind, wenn sich heraus­stellt, dass sie im Antrags­jahr ein verbessertes Einkommen hatten. Mit zwei neuen Web­formularen können die Kundinnen und Kunden rasch mit­teilen, ob sich ihr Ein­kommen verändert hat oder ob sie ganz auf die Prämien­verbilligung verzichten möchten. So können Rück­forderungen ver­hindert werden.

Ziel ist es, dass die Personen, die Anspruch auf Prämien­ver­billigung haben, ihren Anspruch auch kennen und geltend machen. Darauf zielt auch das Projekt ab, das derzeit zusammen mit einem Forschungs­team der ETH Zürich und Universität Zürich durch­geführt wird. Das Forschungs­interesse gilt dem Identifi­zieren der Hürden, die ver­hindern, dass ein Leistungs­anspruch geltend gemacht wird. Die SVA Zürich legt den Fokus auf die Über­windung dieser Hürden und auf die Verbes­serung der Kommuni­kation. Das ent­spricht auch dem in der Vision der SVA Zürich formulierten Ziel: «Wir machen Sozial­versicherungen leicht ver­ständlich und für alle zu­gänglich.»