RIVA konkret

«Gute Schulnoten bedeuten nicht, dass jemand auch eine Rakete in der Praxis ist.»

Engagierte Fachkräfte zu finden ist gerade im hand­werklichen Bereich schwierig. Nicht zuletzt darum betrat Ramon Strub, Geschäfts­führer der Rolf Schlagen­hauf AG, Filiale Adliswil, mit der Aus­bildung von Nicola Neuland. Sein Fazit ist positiv: die Ausbildung des Jugendlichen mit Handicap war einfacher als gedacht.

Konzentrierte sich vor allem auf Nicolas Stärken: Ramon Strub., Geschäftsführer der Rolf Schlagenhauf AG, Filiale Adliswil.
Konzentrierte sich vor allem auf Nicolas Stärken: Ramon Strub,Geschäftsführer der Rolf Schlagenhauf AG, Filiale Adliswil.
Herr Strub, erinnern Sie sich noch an die erste Begegnung mit Nicola?

Ja, das war hier im Lehr­betrieb. Er war mir sofort sympathisch und in der Schnupper­lehre hat er einen super Job gemacht. Auch die Noten aus dem ersten Lehr­jahr waren gut. Ich kannte seine Geschichte und damals war er noch recht verschlossen, dennoch sah ich keinen Grund, es nicht zu versuchen. Die Chance, seine abgebrochene Lehre bei uns fertig zu machen, gab ich ihm gerne.

Würden Sie es wieder tun?

Definitiv! Ich weiss nicht, ob Nicola einfach ein Glücks­griff war, aber für uns war das Ganze eine sehr positive Erfahrung. Wir konnten mit ihm umgehen wie mit jedem anderen Lernenden auch. Er konnte bereits im zweiten Lehr­jahr alleine auf die Bau­stelle gehen, was sehr früh ist. Klar gab es auch mal Differenzen, aber das ist doch ganz normal in der Arbeits­welt. Nicola ist der geborene Maler, das war schnell klar.

Wie hat das Team auf die Idee reagiert, einen Lernenden mit einem Handi­cap aufzunehmen?

Von Anfang an positiv. Alle haben die Idee mit­getragen. Das lag aber auch an Nicola, der sich schnell sehr gut ins Team integriert hat.

Die IV-Stelle der SVA Zürich hat Ramon einen Job Coach vermittelt. Hat Sie das als Aus­bilder entlastet?

Sehr! Der Job Coach war für das Schulische zuständig, der Betrieb fürs Praktische. Das hat immer sehr gut ineinander­gegriffen. Ich wusste: das Schulische ist in guten Händen, darum muss ich mich nicht kümmern. Für Nicola war der Job Coach eine wichtige Bezugs­person. Mit seiner Hilfe schaffte er es trotz ADS gut zu lernen.

Nicola hat eben die Lehr­abschluss­prüfung bestanden. Wie sicher waren Sie sich, dass er es packt?

Da habe ich mir gar keine Sorgen gemacht. Er war gut vorbereitet und dank seinem Job Coach hatte er auch seine Prüfungs­angst gut im Griff. Jetzt hat er den Abschluss mit einer guten Note im Sack, das ist gross­artig.

Wenn Sie vergleichen, wie Nicola damals bei Ihnen angefangen hat und wo er heute steht, macht Sie das auch ein bisschen stolz?

Ja, definitiv! Wir haben es sehr gut geschafft, alle miteinander. Soraya von der IV-Berufs­beratung der SVA Zürich, sein Job Coach, das Schlagen­hauf-Team Adliswil. Aber den grössten Teil hat natürlich Nicola selbst geleistet. Seine Entwicklung hat uns alle sehr beeindruckt, er steht heute an einem ganz anderen Punkt als noch vor drei Jahren.

Wo steht er heute?

Nicola ist ein motivierter, selb­ständiger Maler mit einem fundierten Fach­wissen, den man alleine laufen lassen kann. Darüber hinaus ist es sehr angenehm, mit ihm zu arbeiten. Auch menschlich hat er grosse Schritte gemacht. Aus einer zurück­haltenden, eher scheuen Person wurde eine Persön­lichkeit mit einer sehr positiven Aus­strahlung.

Darum haben Sie Nicola eine Fest­anstellung angeboten…

Ja, wir alle schätzen ihn sehr. Zudem gibt es im Bau­gewerbe, allgemein in hand­werklichen Berufen, zu wenig gute Fach­leute. Nicola hat gezeigt, was er drauf­hat, er kennt den Betrieb gut und hat sich gut integriert. Alles ist bereits ein­gespielt. Es ist klar, dass wir so jemanden behalten wollen. Wir freuen uns sehr, dass er unser Angebot angenommen hat.

Was raten Sie Betrieben, die sich überlegen, es Ihnen gleichzutun?

Offen sein für Neues. Gerade in hand­werklichen Berufen heissen gute Schul­noten noch lange nicht, dass jemand auch in der Praxis eine Rakete ist. Umgekehrt kann es ein, dass jemand, der in der Schule gar nicht überzeugt, auf der Bau­stelle aber durch die Decke geht. Einfach, weil er nicht acht Stunden still­sitzen kann, sondern mit den Händen etwas tun muss. So wie Nicola.