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Was macht eigentlich ein Job Coach?

Wenn die Berufs­ausbildung oder das Studium aufgrund psychischer Probleme auf der Kippe stehen, braucht es oft beides: psychologische Unter­stützung und einen Job Coach. Doch was macht der eigentlich? Und wie bekommt man einen? Job Coach Bettina Bärtsch gibt Auskunft.

Job Coach Bettina Bärtsch
Bettina Bärtsch ist Job Coach mit einer eigenen Praxis in Zürich. Sie ist spezialisiert auf Fragestellungen rund um das Thema psychische Gesundheit und Arbeit bei jungen Erwachsenen. Sie ist Psychologin lic. Phil., eidg. Dipl. Berufsberaterin und verfügt über ein MAS Supervision und Coaching in Organisationen (BSO).

Maya ist hochbegabt. Die Primar- und Sekundar­schul­zeit erlebt sie als Spazier­gang, sie schliesst mit Best­noten ab. Da sie gerne experimentiert und genaues Arbeiten liebt, möchte sie später vielleicht in die Forschung gehen. Sie entscheidet sich darum für eine Aus­bildung zur Laborantin EFZ mit begleitender Berufs­maturität. Ihre über­durch­schnittlichen Leistungen erlauben es. Doch plötzlich, im dritten Lehr­jahr, verliert sie den An­schluss. Immer seltener schüttelt sie die richtigen Antworten einfach aus dem Ärmel. Zum ersten Mal in ihrem Leben muss sie lernen. Doch wie? Maya zieht sich zurück. Wird depressiv. Und bricht die Aus­bildung ab.

Diese Geschichte ging Bettina Bärtsch ans Herz. Die Psychologin ist Job Coach und spezialisiert auf Fälle wie den von Maya. Versagens­ängste, Prüfungs­angst, Motiva­tions­probleme bis hin zu suizidalen Gedanken begegnen ihr in ihrer Praxis oft. Ihre Aufgabe als Job Coach ist es, junge Menschen mit psychischen Problemen beim Einstieg ins Berufs­leben zu unterstützen, ihnen zu helfen, ihre Lehr­stelle, ihre Arbeits­stelle oder ihren Studien­platz zu behalten – oder den Wieder­einstieg zu schaffen, sollte es doch einmal zu einem Ab­bruch kommen.

Gemeinsames Ziel: Beruflicher Wiedereinstieg

Mayas erstes Treffen mit Job Coach Bettina Bärtsch vermittelte eine Berufsberaterin der SVA Zürich. Auf ihre Anregung hin arbeiteten Bärtsch und ein Psychiater Hand in Hand an der Genesung und dem beruflichen Wieder­einstieg der jungen Frau. «Der Psychiater arbeitete mit Maya an ihren Depressionen und Ängsten. Ich erarbeitete mit ihr Lern­strategien und übte mit ihr, in Prüfungs­situationen ruhig und konzentriert zu bleiben», erklärt die Ost­schweizerin. Diese Arbeits­teilung sei typisch und habe sich bewährt.

Die richtigen «Tools» finden

«Wir Job Coaches sind fürs Hand­feste zuständig», sagt Bettina Bärtsch lachend. «Entsprechend gross ist unser Repertoire an Tools und Techniken.» Das sei wichtig, denn nicht jede Klientin und jeder Klient spreche auf das Gleiche an. Job Coaches probieren also erst einmal aus, was funktioniert. 

Bei Maya startete Bärtsch zuerst mit einem realistischen Lehr­plan, den sie zusammen erarbeiteten. Dann übten sie den Um­gang mit Pendenzen. Ihren «Klick-Moment» hatte Maya, als Bettina Bärtsch ihr vorschlug, den Lernstoff in eigenen Worten auf ihr Handy zu sprechen und bei Wald­spazier­gängen immer wieder ab­zuhören. Diesen Vorschlag konnte Maya sofort umsetzen. Von da an lernte sie immer besser – und fand in der Natur Schritt für Schritt aus dem Loch heraus, in das sie gefallen war.

Nach acht Monaten war Maya bereit für den Wieder­einstieg. Ihr Lehr­meister hat immer an sie geglaubt und ermöglichte es ihr darum, das dritte Lehr­jahr zu wieder­holen und die abgebrochene Lehre in seinem Labor abzuschliessen. Sorgfältig bereitete sich Maya zusammen mit Job Coach Bettina Bärtsch auf den Wieder­einstieg vor. Zum Schluss erörterten sie, wie Maya ihre Auszeit am Arbeits­platz erklären kann und besprachen die letzten Details in einer gemeinsamen Sitzung mit dem Lehr­meister.

Wie kommt man zu einem Job Coach?

In Mayas Fall war es eine Berufs­beraterin der SVA Zürich, die den Kontakt zu Job Coach Bettina Bärtsch herstellte. Zu dieser Berufs­beraterin kam die junge Frau über ihren Haus­arzt, den sie auf Anraten ihrer Eltern konsultiert hatte. Der Haus­arzt diagnostizierte der damals 21-Jährigen eine persistierende depressive Störung. Bei einer solchen Diagnose übernimmt die IV-Stelle die Coaching-Kosten zu 100 Prozent.

Wer profitiert von einem Job Coaching?

Von einem solchen Coaching profitiert natürlich in erster Linie die Klientin, der Klient selbst. Aber auch für Eltern, Lehr­personen, Ausbildende und Behandelnde kann es sehr entlastend sein, einen Job Coach einzubeziehen. Bettina Bärtsch nennt ein Beispiel: «Wenn Eltern wissen, dass ihre Tochter oder ihr Sohn von einer Fachperson begleitet wird, fällt es ihnen leichter, Druck und Kontrolle abzubauen. Dadurch entspannt sich in der Regel auch das Verhältnis zum Kind. Das tut beiden Seiten gut.» Auch gelegent­liche gemeinsame Treffen seien möglich, ergänzt sie. Zum Beispiel, um die Ziele ab­zu­stimmen und um heraus­zufinden, wie die Eltern unter­stützen können.

Welchen Beitrag leistet die Klientin, der Klient selbst?

Bei Maya ging das Konzept auf. Nach intensiver Arbeit mit ihrem Psychiater und Job Coach Bettina Bärtsch schaffte sie den Wieder­einstieg. Inzwischen hat sie die Lehre und die Berufsmatura erfolgreich abgeschlossen – und steht wieder mit beiden Beinen fest im Leben.

Solche Entwicklungen erleben Job Coaches wie Bettina Bärtsch immer wieder. Doch es steckt viel Effort dahinter. «Die Haupt­arbeit macht natürlich die Klientin oder der Klient selbst», sagt sie. Sie müssten die Veränderung wirklich wollen. Sie habe in ihrer Praxis schon so viele Erfolgs­geschichten erlebt, dass sie sagen könne: «Wer bereit ist, sich einzulassen und durch­zuhalten, auch wenn es mal harzt, der hat sehr gute Chancen, grosse Schritte zu machen.»