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SVA Zürich
Jahresbericht 2022: SVA Zürich
Jahresbericht 2022
Lesen Sie im Jahresbericht, was die SVA Zürich 2021 bewegt hat und wie sich die Gesetzesänderungen und die neuen Leistungen in den Zahlen zeigen.
SVA Zürich
Das Jahr 2021 brachte gleich zu Beginn mehrere grosse Neuerungen im Bereich der Sozialversicherungen. Im Kanton Zürich wurde das neue System für die Berechnung der Prämienverbilligung eingeführt. Auf Bundesebene trat die Reform der Ergänzungsleistungen in Kraft, und der bezahlte Vaterschaftsurlaub wurde Realität.
Ende September 2020 sagte das Schweizer Stimmvolk mit grosser Mehrheit Ja zum bezahlten Vaterschaftsurlaub. Und bereits für ab dem 1. Januar 2021 geborene Babys sollte der Anspruch gelten. Es blieben drei Monate Zeit für die Anpassung der Geschäftsprozesse und der IT-Fachsysteme. Am häufigsten wurde in den ersten Wochen des Jahres am Telefon gefragt, ob es Übergangsbestimmungen gäbe für im Dezember 2020 geborene Kinder. Solche hatte der Gesetzgeber aber nicht vorgesehen. In den Genuss der neuen Leistung kommt nur, wer am 1. Januar 2021 oder später Vater wurde.
Zurückhaltung gegenüber dem neuen Vaterschaftsurlaub
Bis Ende Jahr erhielt die SVA Zürich 2783 Anmeldungen für den Vaterschaftsurlaub. Ihnen standen 8348 Anmeldungen von Müttern gegenüber. Von den gesamthaft 11'131 Anspruchsberechtigten machte der Anteil der Väter also nur gerade einen Viertel aus. Die Väter können die Urlaubstage nach der Geburt des Kindes innerhalb von sechs Monaten beziehen. Eine Kumulation von Anmeldungen verzeichnete die SVA Zürich im Sommer. Trotzdem lag die Zahl der Anmeldungen deutlich unter den Erwartungen. Eine mögliche Erklärung liefert der telefonische Kundendienst der SVA Zürich. Dort hat man die Erfahrung gemacht, dass sich Väter zwar nach ihrem Anspruch erkundigten, sich aber auch besorgt zeigten, da ihr Arbeitgeber dem Vaterschaftsurlaub gegenüber kritisch eingestellt sei. Es würde nicht gerne gesehen, wenn Mitarbeitende Vaterschaftsurlaub anmelden. Aufgrund der Häufung solcher Aussagen ist davon auszugehen, dass im Einführungsjahr längst nicht alle Väter ihren Anspruch auf bezahlten Vaterschaftsurlaub geltend gemacht haben.
Ja zu Nischenprodukten zeigt, Anliegen werden gehört
Nach einem äusserst anspruchsvollen ersten Quartal folgte im April die nächste Ankündigung: Die Überbrückungsleistungen für ausgesteuerte ältere Arbeitslose kommen und das bereits per 1. Juli 2021. Keine drei Monate bis zur Einführung – diese Frist war sehr knapp. Gleichzeitig liefen die Vorbereitungsarbeiten für die Einführung der Betreuungsentschädigung, eine neue EO-Leistung für Eltern von schwerstkranken Kindern. Die SVA Zürich konnte den Zeitplan dank grossem Effort aller Beteiligten einhalten. Für beide Leistungen konnte ab dem 1. Juli 2021 Antrag gestellt und Leistungen ausbezahlt werden.
Im Vergleich zu AHV-Rente, Familienzulagen oder Prämienverbilligungen ist die Nachfrage nach diesen neuen Leistungen verschwindend klein. Zu berücksichtigen ist, dass die Voraussetzungen für beide Produkte eng gefasst sind. Es sind Nischenprodukte mit geringer Fallzahl. Bis Ende Dezember 2021 konnte die SVA Zürich 15 Zusprachen für die Betreuungsentschädigung und vier für Überbrückungsleistungen ausstellen. Die zwei Beispiele zeigen den hohen Stellenwert, den die Politik Anliegen zur Verbesserung der sozialen Gerechtigkeit beimisst. Dafür steht auch der komplexe Umbau des Zürcher Prämienverbilligungssystems, dessen politisches Ziel es war, Bedarfsgerechtigkeit zu gewährleisten. Das neue Recht erfüllt diese Erwartung, doch ist gleichzeitig der Aufwand für die Durchführung stark gestiegen. Dazu kommt, dass die Berechnungslogik mit ihren abstrakten Parametern für Laien nur schwer nachvollziehbar ist und zu vielen Anfragen führt.
Es freut uns, wenn ein Dialog angestossen wird.
Durchführung muss Impulse für die Weiterentwicklung geben
Die SVA Zürich ist sich ihrer Verantwortung für eine schlanke und gleichzeitig kundenfreundliche Durchführung der Sozialversicherungen bewusst. Wir haben immer die nachhaltige Entwicklung – und damit auch die Kosten – im Blick. Die Erfahrung zeigt, wie wertvoll es ist, die Fachexpertise der Durchführungsstellen bei der Ausgestaltung von neuen gesetzlichen Vorgaben einzubinden. Mit der Publikation des Jahresberichts ist es deshalb geradezu Pflicht der Durchführungsstellen, auf der Basis der Geschäftszahlen auf Entwicklungen und auch mögliche Fehlentwicklungen aufmerksam zu machen. Dabei geht es darum, Daten und Erfahrungen aus dem Tagesgeschäft aufzubereiten und so einen Beitrag für die öffentliche Meinungsbildung zu leisten. Natürlich freut es uns, wenn ein Dialog auf breiter Ebene angestossen wird. Das war vor zehn Jahren der Fall. Die SVA Zürich berichtete im Jahresbericht 2011 darüber, dass die IV-Revisionen Wirkung zeigen würden. Der Rentenbestand nahm gesamthaft ab, nicht aber die Anzahl der ausserordentlichen IV-Renten. Dieser Bestand stieg weiterhin an. Das besorgte, denn ausserordentliche IV-Renten werden vor allem jungen Erwachsenen zugesprochen, die nach ihrer von der IV unterstützten Ausbildung den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt nicht schaffen. Bei der SVA Zürich handelte man damals rasch. Die Qualitätsvorgaben für die Integration wurden überarbeitet und ein neues Verständnis für Erfolg im Rahmen der beruflichen Erstausbildung etabliert: Der Eingliederungsauftrag ist mit dem Abschluss der Berufsausbildung nicht erfüllt, sondern erst mit der anschliessenden Festanstellung im ersten Arbeitsmarkt. In Pilotprojekten evaluierte man die Wirksamkeit von verschiedenen Eingliederungsmassnahmen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Diese Erfahrungen sind auch in die Weiterentwicklung der IV eingeflossen, die am 1. Januar 2022 eingeführt wurde.
Die dafür notwendigen Vorbereitungsarbeiten waren das Fokus-Thema 2021 für die IV-Stelle. Mit der Weiterentwicklung der IV geht der Ausbau der Unterstützungsangebote für die berufliche Erstausbildung einher, gibt es doch einen direkten Zusammenhang zwischen erfolgreichem Einstieg ins Arbeitsleben und IV-Rentenbestand. Die Trendlinie bei den ausserordentlichen IV-Renten verläuft indes auch weiter aufwärts. Per Ende Dezember 2021 weist die IV-Stelle Zürich einen Gesamtbestand von 6396 aus, 33 Prozent mehr als vor 10 Jahren.

Triage ist für die IV-Stelle seit Jahren Realität
Am Arbeitsleben teilhaben können, das ist für die Persönlichkeitsentwicklung und das Selbstwertgefühl von jungen Menschen wichtig. Integration ist Aufgabe und Verantwortung einer Gesellschaft, und sie ist auch volkswirtschaftlich gesehen von grossem Interesse. Wenn junge Menschen ihren Platz in der Arbeitswelt nicht finden, belasten sie das Gesamtsystem finanziell über Jahrzehnte. Verantwortung für die Kostenentwicklung der IV übernehmen, heisst, in die Eingliederung zu investieren. Deshalb setzt die IV-Stelle Zürich die vom Bund zur Verfügung gestellten Ressourcen fokussiert für die Eingliederung ein. Die Triage kennt man deshalb nicht nur in Spitälern, sondern auch bei der SVA Zürich, für das Geschäftsfeld IV. Es geht jedoch nicht um die Frage, wer IV-Unterstützung bekommt, sondern um den Entscheid, welche der verlangten administrativen Aufgaben reduziert oder weggelassen werden können, um mehr Personalressourcen für Beratung und Begleitung von Versicherten und Arbeitgebenden zu gewinnen.
Weil Unsicherheit belastet, belasten auch die Folgen von Covid
Die SVA Zürich versteht Eingliederung als Auftrag wie auch als Haltung. Diese zeigt sich unter anderem darin, wie wir als Gesellschaft der Problematik von «Long Covid» begegnen. Knapp 3 Prozent aller IV-Anmeldungen im Jahr 2021 hatten einen Bezug zu einer Covid-Erkrankung. Ob «Long Covid»-Betroffene eine IV-Rente erhalten, wurde die SVA Zürich allerdings bereits im Jahr zuvor von Medienschaffenden gefragt. Die Frage ist natürlich legitim und relevant, denn sie zeigt, dass man im Zusammenhang mit der IV immer noch primär an die IV-Rente denkt. Viel zu wenig bekannt ist immer noch, dass die IV heute die grösste Präventions- und Eingliederungsversicherung der Schweiz ist. Der Blick der IV als Integrationsversicherung ist nach vorne gerichtet und orientiert sich an den vorhandenen Ressourcen. Deshalb steht nicht die medizinische Diagnose im Vordergrund, sondern die Frage: Was ist für die Betroffenen aufgrund ihrer Erkrankung aktuell und in Zukunft noch möglich? Eingliederung ist als Prozess zu verstehen, nicht nur zeitlich. Gerade wenn psychische Probleme berücksichtigt werden müssen – und diese sehen wir in Arztberichten von IV-Anmeldungen von «Long Covid»-Betroffenen häufig – braucht es Zeit und Geduld. Das Thema Rente kommt erst am Schluss des Eingliederungsprozesses. Glücklicherweise ist es so, dass sich die gesundheitliche Situation der Erkrankten häufig wieder bessert. Auch wenn ein Fall dank Eingliederung mit Teilrente abgeschlossen werden kann, ist dies für alle Beteiligten ein Erfolg: für die SVA Zürich, die IV und vor allem aber für die betroffene Person. Eingliederung als Haltung bedeutet, dass gesundheitliche Einschränkungen einen Menschen nicht abwerten und vom Arbeitsleben ausgrenzen. Eingliederung als Haltung bedingt die Fähigkeit, mit Unsicherheiten, Veränderungen und Widersprüchen umgehen zu können. Untersuchungen zeigen allerdings, dass genau diese Fähigkeit, die sogenannte Ambiguitätstoleranz, leider stetig abnimmt.

Führungskultur zeigt sich auch in der Absenzenquote
Der Schweizer Schriftsteller Philipp Tingler schreibt in einem NZZ-Beitrag von der Nervosität der angenagten Multioptionsgesellschaft, die immer weniger bereit erscheine, die gebotene Vielzahl an Möglichkeiten auszuhalten. Dabei ist das Aushalten von zahlreichen Möglichkeiten wichtiger denn je. Davon überzeugt ist Angela Peterelli, Mitglied der Geschäftsleitung der SVA Zürich und Leiterin Human Resources. Arbeitgebende müssten laufend prüfen, wie die Kaderausbildung und -weiterbildung den sich rasant verändernden Bedürfnissen anzupassen sind. An Vorgesetzte werden heute andere Anforderungen gestellt als noch vor zehn Jahren: Sie müssen nicht in erster Linie mit dem besten Fachwissen überzeugen, sondern mit der Fähigkeit, eine gute Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Mitarbeitende sollen sich wohlfühlen, damit sie im Interesse des Unternehmens die bestmögliche Leistung erbringen können. Da kommt auch die Möglichkeit, zu Hause arbeiten zu können, ins Spiel. Home-Office, im Frühling 2020 zur Bekämpfung der Pandemie als Pflicht für alle eingeführt, ist seit Sommer 2021 Standard bei der SVA Zürich. Wer will, kann das Home-Office-Modell nützen, aber es ist niemand dazu verpflichtet. Die grosse Mehrheit der Mitarbeitenden kann sich allerdings den Arbeitsalltag ohne Home-Office-Angebot nicht mehr vorstellen. Für den Jahresbericht 2021 haben wir deshalb die Mitarbeitenden für die Porträts erstmals zu Hause in ihrem Home-Office fotografiert.
Beraten ist der Kern unseres Auftrags.
SVA Zürich setzt als Arbeitgeberin die Empfehlungen der IV-Stelle um
Ein Indikator für die Unternehmens- und Führungskultur ist die Absenzenquote von Mitarbeitenden. Diese liegt bei der SVA Zürich seit Jahren auf konstant tiefem Niveau. Im Jahr 2021 belief sich der Anteil der Fehlzeiten wegen Krankheit, Unfall oder Militär auf weniger als 4 Prozent der Soll-Jahresarbeitszeit. Das zeigt, dass es sich lohnt, in die Unternehmens- und Führungskultur zu investieren und diese zu pflegen. Dieses Engagement ist auch als Teil des Gesundheitsmanagements zu sehen. Hier setzt die SVA Zürich auf Prävention und Früherkennung. Natürlich gibt es bei über 1000 Mitarbeitenden auch Krankheitsfälle. Deshalb setzen wir bei der SVA Zürich um, was die IV-Stelle den Zürcher Arbeit gebenden empfiehlt: Frühzeitig hinschauen, Probleme ansprechen und niederschwellige Angebote bereithalten. So können Mitarbeitende der SVA Zürich beispielsweise anonym und kostenlos eine externe psychologische Beratung in Anspruch nehmen. Beraten ist der Kern unseres Auftrags als Kompetenzzentrum für Sozialversicherungen, und das schliesst die Beratung unserer Mitarbeitenden ein.
