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IV-Stelle
Jahresbericht 2022: IV-Stelle
Jahresbericht 2022
Lesen Sie im Jahresbericht, was die SVA Zürich 2021 bewegt hat und wie sich die Gesetzesänderungen und die neuen Leistungen in den Zahlen zeigen.
IV-Stelle
Klischee-Denken erschwert Zugang zur IV-Eingliederung
IV gleich Rente – diese Gleichung geht seit der Einführung der 5. IV-Revision vor 16 Jahren nicht mehr auf, denn seither gilt der Grundsatz «Eingliederung vor Rente». Trotzdem hält sich das Klischee der IV als Rentenversicherung in der breiten Öffentlichkeit hartnäckig. Ein Bild, das über Jahrzehnte seine Berechtigung hatte und bis heute in den Medien immer noch häufiger ein Thema ist als die Eingliederung, ist nur schwer aus den Köpfen der Bevölkerung zu verbannen.
Wer IV-Leistungen beantragt, füllt das Anmeldeformular für «Berufliche Integration/Rente» aus. Verknüpft mit dem Gesuch ist meist die Erwartung einer IV-Rentenleistung. Das zeigt, wie wichtig es ist, die Vorurteile gegenüber der IV in der breiten Öffentlichkeit abzubauen und die IV als wichtigste Präventions- und Eingliederungsversicherung der Schweiz bekannt zu machen. Rund 280 Millionen Franken werden bei der IV-Stelle Zürich jährlich für Prävention und berufliche Integration eingesetzt. Der Betrag macht rund ein Sechstel der gesamten IV-Kosten im Kanton Zürich aus. Der Grossteil entfällt auf die Rentenleistungen.

Es geht überall aufwärts, auch bei den IV-Renten
Die IV-Anmeldungen steigen seit Jahren stetig. 33'499 Gesuche sind im Jahr 2021 bei der SVA Zürich eingegangen. 13'773 davon betrafen berufliche Integration und Rente, 2 Prozent mehr als im Vorjahr. Die IV-Stelle hat im Jahr 2021 ebenfalls 2 Prozent mehr Eingliederungsmassnahmen finanziert, fast 13'400 Zusprachen wurden erteilt.
Wieder aufwärts ging es erfreulicherweise auch bei den erfolgreichen Eingliederungen. Das Jahr 2020 war aufgrund der Pandemie ein schwieriges Jahr. Arbeitgebende waren wegen der geltenden Covid-Massnahmen – verständlicherweise – weniger bereit, neue Mitarbeitende anzustellen. 2021 erholte sich der Arbeitsmarkt dann aber rasch. Gut ausgebildete und erfahrene Berufsleute waren wieder gefragt, und davon profitierten auch IV-Kundinnen und -Kunden. In 2885 Fällen konnte die Eingliederung mit einer Erfolgsmeldung abgeschlossen werden. 201 Erfolgsgeschichten mehr als im Jahr zuvor, und jede zählt. Tatsache ist aber auch, dass die IV-Neurenten im Jahr 2021 erneut gestiegen sind, nämlich um 4 Prozent auf 3497. Im Jahr 2019 waren es noch 23 Prozent weniger, nämlich 2684 Neurenten. Auch die Gesamtzahl der IV-Renten wächst im Kanton Zürich wieder seit 2020. Ende Dezember 2021 waren 34'772 Personen im Kanton Zürich auf die IV-Rente angewiesen, 456 mehr als im Jahr zuvor.
Mit Eingliederung den Anstieg der IV-Verschuldung abbremsen
Die Tatsache, dass der Anstieg der Personen mit IV-Rente im Kanton Zürich im Berichtsjahr «nur» 1,3 Prozent ausmachte, sollte nicht dazu verleiten, die Entwicklung zu verharmlosen. Wenn die Zahl der Neurenten signifikant steigt, wird auch die Wirksamkeit der IV-Eingliederung hinterfragt: Lohnen sich die Investitionen in Prävention und berufliche Integration überhaupt? Die Antwort von Martin Schilt, IV-Stellenleiter, ist kurz und klar: «Es gibt keine Alternative. Prävention und berufliche Integration sind die einzig wirksamen Massnahmen, um dem wieder stetig steigenden Defizit der IV zu begegnen.» Dabei geht es in keiner Weise darum, IV-Renten zu verhindern. Die IV-Stelle Zürich hatte bereits im Jahresbericht 2018 prognostiziert, dass die Zahl der Neurenten und auch der Gesamtbestand der IV-Renten wieder steigen werden.

Eingliederung wirkt, trotzdem steigt der Rentenbestand
Dank der Eingliederungsleistungen ist der IV-Rentenbestand im Kanton Zürich seit 2008 (Einführung der 5. IV-Revision) bis 2019 um 14 Prozent, zurückgegangen. Auch die Zahl der jährlichen Neurenten ging um 30 Prozent zurück. Es waren weniger Neurenten nötig, weil die neuen Eingliederungsmassnahmen wirksam sind, und nicht etwa, weil berechtigte Rentenansprüche abgewiesen wurden. Eingliederung wirkt. Trotzdem ist es nicht zu verhindern, dass der Gesamtbestand der Renten in den nächsten Jahren steigen wird. Die IV-Stelle Zürich sieht dafür vier Gründe: Die demografische Entwicklung, das Bevölkerungswachstum im Kanton Zürich, die Zunahme von Diagnosen psychischer Erkrankungen und die neue Rechtsprechung zur Suchtproblematik.

Anstieg der Rentenquote nach Bundesgerichtsurteil zu Sucht
Die IV hat ab 2011 von der demografischen Entwicklung profitiert. Die Baby-Boomer-Generation erreichte das Pensionsalter, womit die IV-Rente automatisch in eine Altersrente umgewandelt wurde. Mittlerweile sind die geburtenstarken Jahrgänge zum grössten Teil im AHV-Rentenalter. Das heisst, dass Neurenten nicht mehr mit «natürlichen Abgängen» kompensiert werden können. Die 34'722 Personen mit einer IV-Rente machten im Jahr 2021 rund 3 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung des Kantons Zürich aus. Der Anteil ist seit 2018 stabil. Das bedeutet allerdings auch, dass die absolute Zahl der IV-Rentnerinnen und IV-Rentner mit der Zürcher Bevölkerung wächst.
Die psychischen Krankheiten nehmen zu, und das nicht erst seit der Pandemie. Diese hat das Problem höchstens noch akzentuiert. Mehr psychische Erkrankungen, welche die Arbeitsfähigkeit der Betroffenen beeinträchtigen, bedeuten klar mehr neue IV-Renten. Bereits nachweisbar ist bei der IV-Stelle Zürich der Effekt der neuen Rechtsprechung betreffend die Suchtproblematik. Ein Bundesgerichtsurteil verlangt, dass eine nachweisbare Sucht, die sich auf die Arbeitsfähigkeit auswirkt, nicht mehr automatisch zur Ablehnung einer Rente führen darf. Sucht gilt gemäss dem Urteil des Bundesgerichts als anerkannte Krankheit, weshalb jeder Fall nun einzeln geprüft werden muss. Handelt es sich bei der Sucht um eine Begleiterkrankung und ist sie nicht therapierbar, dann ist die IV zur Rentenleistung verpflichtet. Was war zuerst: Huhn oder Ei? Im Rahmen einer IV-Abklärung lautet die Frage natürlich anders: War zuerst die Depression und dann das Alkoholproblem, oder war es umgekehrt?
Die Auswirkungen der geänderten Rechtsprechung schlagen sich bereits in den Zahlen der IV-Stelle Zürich nieder. Die Rentenquote zeigt das Verhältnis der Zusprachen zu allen Rentenentscheiden. Zwischen 2014 und 2019 lag sie stets bei gut 30 Prozent. Danach kam es zu einem sprunghaften Anstieg, was ungewöhnlich ist. Die Erfahrung lehrt, dass ein solches Phänomen immer eine oder mehrere Ursachen hat. Im August 2019 wurde das Bundesgerichtsurteil betreffend die Suchterkrankungen publiziert. Seither ist die Rentenquote um 3 Prozent gestiegen. Die IV-Stelle Zürich geht davon aus, dass 1,5 bis 2 Prozent des Anstiegs mit der geänderten Rechtsprechung zu erklären sind.

Jede zweite Präventionsmeldung kommt von Arbeitgebenden
Prävention ist die effektivste Form der Eingliederung. Es gilt zu verhindern, dass eine Krankheit oder Behinderung zum Verlust des Arbeitsplatzes führen. Oder dass im Fall von Jugendlichen und jungen Erwachsenen bereits der Start ins Berufsleben misslingt. Im Jahr 2021 sind 1619 Präventionsmeldungen bei der IV-Stelle Zürich eingegangen. Knapp 54 Prozent der Meldungen kamen von den Arbeitgebenden, 30 Prozent von den Versicherten. Die restlichen 16 Prozent der Meldungen verteilen sich auf andere Versicherungen, Sozialhilfe, Familienumfeld, Arzt oder Ärztin. Was auffällt: Von den Arbeitgebenden und den Versicherten gingen im Vergleich zum Vorjahr 15 Prozent mehr Meldungen ein, bei allen anderen Gruppen war die Entwicklung rückläufig. 84 Prozent aller Präventionsmeldungen kamen im Jahr 2021 von Arbeitgebenden und von den Versicherten. Es trifft natürlich zu, dass Arbeitgebende per Gesetz zum Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz verpflichtet sind. Prävention in einem umfassenderen Verständnis schliesst aber alle Lebensbereiche ein. So verstanden, ist die Früherkennung von gesundheitlichen Problemen, die sich auf die Arbeit auswirken, Aufgabe vieler. Allen voran müssen behandelnde Ärztinnen und Ärzte genannt werden. Sie kennen die gesundheitlichen Probleme früh und können – im Interesse der Patientin, des Patienten – dazu beitragen, dass eine Krankheit nicht zur Kündigung führt. Die Skepsis von Ärztinnen und Ärzten gegenüber der IV ist immer noch weit verbreitet, und dieser lässt sich nur im Dialog begegnen. Die IV-Stelle Zürich hat deshalb mit Blick auf die Einführung der IV-Weiterentwicklung am 1. Januar 2022 die Präventionsberatung und das Job-Coaching gestärkt. Dazu gehört auch die Information von Ärztinnen und Ärzten.

IV-Assistenzbeitrag ist nicht mehr wegzudenken
Das Engagement und die Leistungen der IV sind auf ein selbstbestimmtes Leben ausgerichtet. Verbunden mit dem selbstbestimmten Leben ist das Bedürfnis, trotz Krankheit oder Behinderung zu Hause leben zu können. Dieses Anliegen wurde bereits mit der 4. IV-Revision aufgenommen. Zwei Jahre später startete ein auf fünf Jahre angelegtes Pilotprojekt mit 250 Teilnehmenden aus drei Kantonen. Am 1. Januar 2012 wurde der Assistenzbeitrag schliesslich als ordentliche Leistung eingeführt. Wer wegen Krankheit oder Behinderung nur mit Unterstützung von Drittpersonen zu Hause selbständig leben kann, hat seit dem 1. Januar 2012 Anrecht auf den IV-Assistenzbeitrag. Im Jahr 2021 erhielt die IV-Stelle 136 neue Gesuche. Am Jahresende waren es 522 Personen, die dank des Assistenzbeitrags zu Hause leben konnten. Der IV-Assistenzbeitrag ist ein anspruchsvolles Produkt, weil die Anspruchsberechtigten die Arbeitgeberpflichten übernehmen müssen. Die IV-Stellen klären den Unterstützungsbedarf im Detail ab und ermitteln die Höhe des monatlichen Beitrags. Es ist dann an den Versicherten selbst, die für die Hilfe im Alltag notwendigen Assistenzpersonen anzustellen. Dank IV-Unterstützung selbstbestimmt zu Hause leben, setzt also voraus, dass die Personen in der Lage sind, die administrativen Aufgaben zu übernehmen. Im Jahr 2012 haben nur 65 Prozent der Personen mit Zusprache Leistungen mit der IV-Stelle Zürich abgerechnet, im Jahr 2021 waren es 95 Prozent. Das zeigt, dass der IV-Assistenzbeitrag etabliert und eine wertvolle Leistung ist.